Im Gespräch mit Gerd Adamietzki, CSO

Eine Innovations-Offensive mit 18 neuen Modellen für 2023 hat Knaus Tabbert im Juni den Fachhändlern vorgestellt. Wie geht das in Zeiten von Pandemie und angespannten Lieferketten?

Adamietzki: Noch nie in der Unternehmensgeschichte konnten wir unseren Händlern so viele Neuheiten präsentieren. Die Vielfalt ist auch unsere Antwort auf die Wünsche der Händler und Endkunden sowie auf die Herausforderungen entlang der Lieferketten. Die Händler werden überrannt von Anfragen zu Reisemobilen und Wohnwagen. Caravaning ist mehr denn je im Trend.

Bei Knaus Tabbert haben wir die Pandemie auch als Chance begriffen. Wir haben Gas gegeben und das größte Investitionsprogramm der Unternehmensgeschichte begonnen. Wir haben an neuen Modellen und innovativen Ausstattungstechnologien gearbeitet. Durch die Zusammenarbeit mit drei neuen Chassis‐Lieferanten haben wir unser Produktportfolio optimiert und erweitert. Und wir haben in Personal und Produktion investiert: mit Fort‐ und Weiterbildung einerseits, Digitalisierung und Automatisierung andererseits.

Mit Volkswagen Nutzfahrzeuge, Mercedes und Ford hat Knaus Tabbert die Zahl der Lieferanten von Fahrgestellen in diesem Jahr von zwei auf fünf erweitert. Welche Vorteile hat das?

Adamietzki: In der Vergangenheit spielte die Exklusivität von Lieferbeziehungen eine wichtige Rolle in unserem Geschäft. Gerade in den letzten zwei Jahren hat sich das jedoch zunehmend als Engpass erwiesen, wenn unsere traditionellen Partner nicht liefern konnten.

Wir haben daraufhin Gespräche mit den anderen Fahrgestellproduzenten aufgenommen, die noch am Markt aktiv sind. Und wir durften feststellen, dass Knaus Tabbert als überaus attraktiver Partner wahrgenommen wird. Mercedes, Ford und Volkswagen Nutzfahrzeuge wollen alle künftig Chassis an Knaus Tabbert liefern. Dabei werden unsere bisherigen Zulieferer Fiat und MAN ihre geplanten Lieferzahlen nicht reduzieren, sondern die neuen Chassis kommen on top.

Für unsere Kunden bedeutet das nicht nur eine deutliche Verkürzung der Lieferzeiten, sondern auch ein erhebliches Plus an Vielfalt. Und wir selbst können künftig mit dem CUV, dem Caravaning Utility Vehicle auf Basis des VW Bulli, sogar eine neue Fahrzeugklasse anbieten.

Warum hat die Zusammenarbeit mit Volkswagen zur Einführung des Urban Campers, einer neuen Fahrzeugklasse, im Konzern geführt?

Adamietzki: Der Bulli ist ein Fahrzeug mit Tradition und Kultstatus. Jetzt kommt er in der siebten Generation auf den Markt und steht für Zuverlässigkeit, Komfort und Qualität. Das Besondere an der T6‐Plattform für das Caravaning ist, dass die Maße unterhalb der bisherigen Einstiegsmodelle für Wohnmobile liegen. Das Fahrzeug lässt sich nahezu wie ein normaler Bulli benutzen und kann daher auch im Alltag eingesetzt werden. Das Wesentliche ist, dass wir das Fahrzeug trotz dieser überschaubaren Maße durch innovative Ideen wie ein vollwertiges Wohnmobil ausstatten konnten. Dazu gehört beispielsweise eine klappbare Dusche, wodurch sich die Fläche des Badezimmers nahezu verdoppelt.

Lange Lieferzeiten, verspätete Auslieferungen. Was erwartet die Kunden in diesem Jahr?

Adamietzki: Die Probleme bei den Auslieferungen sind ein ernstes Thema für die Wirtschaft. Sie können das täglich in der Presse lesen und man erfährt es selbst im Alltag am laufenden Band. In der Fertigung sieht das nicht anders aus. Mal fehlen Fahrzeuge, dann sind es Elektrogeräte oder Fenster.

In den vergangenen Monaten haben wir nahezu täglich unsere Produktion umgeplant. Mal mussten wir Mitarbeiter früher nach Hause schicken, an anderen Tagen waren Überstunden notwendig. Eine Herausforderung für die Menschen, für die Produktion, aber auch für unsere Händler und deren Kunden.

Mit der Flexibilisierung unserer Produktion waren wir in einem gewissen Rahmen in der Lage, auf die angespannte Liefersituation zu reagieren. Auch in den kommenden Monaten müssen wir davon ausgehen, dass es immer wieder zu Verzögerungen kommt. Wir können sicher sagen, dass diese nicht auf Knaus Tabbert zurückzuführen sind, denn wir haben in den vergangenen Monaten Personal aufgebaut, ausgebildet und unsere Fertigung ausgebaut. Rund 33 Millionen Euro sind bereits in diesem Jahr investiert worden. Zudem erhöhen wir die Zahl unserer Lieferanten und gerade im Wohnmobilbereich macht sich dies bereits bemerkbar.

Mit dem KNAUS AZUR bringt Knaus Tabbert erstmals einen Serienwohnwagen in Rahmenbauweise auf den Markt. Welche Vorteile bringt diese Technologie?

Adamietzki: Die Rahmenbauweise, auch FibreFrame‐Technologie genannt, beschäftigt uns schon seit 2016. Doch die Komplexität dieser Produktionsweise hat uns vielfach vor Herausforderungen gestellt und mit neuen Problemen konfrontiert. Immer wieder mussten wir uns selbst hinterfragen, neu beginnen, andere Wege gehen. Aber der Ansatz hat uns überzeugt, auch wenn die Umsetzung unglaublich kompliziert war. Umso bedeutsamer ist jetzt dieses Ergebnis.

Im Azur konnten wir die neue Produktionsweise nun auf das Niveau der Serienfertigung heben. Damit sich die einzelnen Komponenten verkleben lassen, müssen die Einzelteile jedoch perfekt sein. Das erreichen wir durch die robotergestützte Fertigung, die erstmals Einzug in die Caravaning‐Branche hält. Wir haben also ein neues Fertigungsverfahren entwickelt und werden die Branche damit revolutionieren.

Auch bei den Produkten zeichnet sich das neue Verfahren aus. Der selbsttragende, hochfeste Rahmen sorgt für beste Stabilität und Langlebigkeit sowie große Flexibilität bei Grundrissgestaltung und Raumdesign von Wohnwagen.

Bei gleicher oder höherer Stabilität gegenüber der üblichen Sandwichbauweise wird Gewicht eingespart. Entsprechend positiv sind die Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauch und Zuladung. Zugleich stehen die Rahmen für hohe Qualität und Belastbarkeit.