Der Vorstand im Gespräch

Ein Gespräch mit dem Vorstand von Knaus Tabbert über das Geschäftsjahr 2021, die Herausforderungen angespannter Lieferketten und die Perspektiven für Knaus Tabbert.

Herr Speck, wie war das Jahr 2021 für den Knaus Tabbert Konzern?

Speck: Wenn ich es in nur fünf Attributen beschreiben müsste, würde ich es wie folgt formulieren: Es war ein abwechslungsreiches, arbeitsintensives, herausforderndes, zeitweise schwer planbares, doch zufriedenstellendes Jahr.

Warum zufriedenstellend?

Speck: Die Zeiger blieben am 31. Dezember 2021 bei 863 Mio. Euro Umsatz stehen. Wir haben damit 8,6 % mehr Umsatz gemacht als im Jahr zuvor. Damit markiert das Jahr 2021 eine neue Bestmarke in der Geschichte von Knaus Tabbert. Wir haben viel erreicht und hätten bei intakten Lieferketten – gemessen an Umsatz und Ergebnis – deutlich mehr erreichen können. Angestrebt hatten wir mit den vorhandenen Kapazitäten über 20 % Umsatzwachstum. Und wir konnten in diesem schwierigen Umfeld das Unternehmen weiterentwickeln: Unsere vier Werke zeigen kapazitiv und technologisch einen nie da gewesenen Reifegrad. Unsere Produktpalette erzeugt eine immense Nachfrage. Unsere fünf Marken begeistern Handel und Kunden gleichermaßen. Die Auftragsbücher umfassen fast 18 Monate Produktionszeitraum. Gas geben und gleichzeitig auf der Bremse stehen ist eine Kunst, die im Rennsport nur die Besten mit Bravour beherrschen. Ich kann nach 2021 mit Fug und Recht behaupten: Wir gehören zu den Besten!

Und wie zeigt sich das in den Zahlen?

Hundsdorf: Das erste Halbjahr, das durch Störungen der Lieferketten und Einflüssen der Pandemie im Geschäftsbetrieb nur bedingt beeinträchtigt war, brachte 442 Millionen Euro Umsatz und damit 23 % mehr als im Vorjahr. Beim EBITDA sehen wir mit 45 Millionen Euro sogar ein Plus von 33 % gegenüber dem Vorjahr. Mit einer bereinigten EBITDA Marge von über 10% für das erste Halbjahr haben wir gezeigt wo die „Run Rate‟ des Unternehmens im eingeschwungenen Zustand liegt. Im Gegensatz dazu steht das zweite Halbjahr: schwer planbar, voller Überraschungen auf der Zulieferseite und damit täglich neue Herausforderungen. So stiegen die Auftragseingänge zu immer neuen Höchstmarken, während gleichzeitig die Lieferketten die Produktion nicht mit ausreichendem Material zur Befriedigung der Nachfrage versorgen konnten. Aufgrund dieser Umstände mussten wir unsere Jahresziele leider anpassen. Dennoch haben wir mit 8,6% Umsatzsteigerung ein respektables Wachstum gezeigt.

Wie haben die Segmente im Einzelnen zum Wachstum beigetragen?

Hundsdorf: Die Entwicklung unserer beiden Segmente war doch unterschiedlich. Während der Absatz im Luxussegment mit der Marke MORELO von 452 auf 501 Fahrzeuge und damit um 10,8 % stieg, wuchs der Umsatz in diesem Segment sogar um 13,7 % auf 122 Mio. Euro. Diese Steigerung im Luxussegment ist beeindruckend und nur der vorläufige Höhepunkt einer weitgehenden Entwicklung. Das Unternehmen lieferte im Premiumsegment, das wir mit den Marken KNAUS, TABBERT, WEINSBERG und T@B bedienen, lieferte insgesamt 26.588 Wohnmobile, Wohnwagen und Kastenwagen aus. Ein Plus von 11,3 %. Der Umsatz stieg jedoch nur um 7,8 % auf 741 Mio. Euro im Vergleich zu 687 Mio. Euro im Vorjahr. Hier spiegelt sich die zeitweise Verschiebung der Produktion von Wohnmobilen zu Wohnwagen wider, die weniger von Lieferengpässen betroffen waren. Wie mein Kollege bereits gesagt hat, hätten wir unter normalen Bedingungen in den Zuliefermärkten weitaus mehr erreichen können, und zwar beim Umsatz als auch beim Ergebnis.

Die Probleme entlang der Lieferketten weltweit wirken sich auch auf die Produktionszahlen von Knaus Tabbert aus. Woran mangelt es besonders?

Vaterl: Die Versorgung mit Basisfahrzeugen im Reisemobilbereich war das zentrale Thema 2021. Ein fehlendes Seitenfenster können Sie nachrüsten. Ohne Chassis ensteht jedoch kein Reisemobil. Dies hat zuletzt immer wieder zu Bandstillständen und reduzierter Ausbringung geführt. Auch die kurzfristigen Terminund Programmverschiebungen bei unseren Chassis‐Lieferanten haben viele Störungen in unseren Fabriken verursacht. Wenn Sie nur wenige Tage oder Wochen im Voraus die Information erhalten, wie viele Fahrzeuge geliefert werden, und dieser Status sich immer wieder ändert, dann sind Produktionsplanung und Fertigungssteuerung im Ausnahmezustand.

Zum Teil fehlten aber auch nur Kleinteile wie zum Beispiel Scharniere, Metallteile, die die Fertigstellung eines Fahrzeugs und somit die Auslieferung an die Händler und Kunden verzögerten. Jeder Nachrüstvorgang führt unweigerlich zu ungeplantem und spürbarem Mehraufwand.

Welche Maßnahmen haben Sie eingeleitet, um künftige Engpässe zu reduzieren?

Vaterl: Sowohl bei den Basisfahrzeugen im Reisemobilbereich als auch bei den Fahrgestellen im Wohnwagenbereich versuchen wir, durch neue Lieferanten unabhängiger von einzelnen Herstellern zu werden. So haben wir beispielsweise erst kürzlich Mercedes als neuen Lieferanten im Reisemobilbereich gewinnen können. Des Weiteren werden wir mehr Fahrzeuge von MAN beziehen. Im Herbst werden wir einen weiteren Partner für Kastenwagen integrieren. Zudem versuchen wir die internen Beschaffungsprozesse permanent detailliert zu analysieren, Ansatzpunkte für Verbesserungen zu identifizieren und gemeinsam mit unseren Lieferanten Lösungen für eine möglichst störungsfreie Materialversorgung zu finden.

Herr Adamietzki, wie haben Händler und Kunden auf die Lieferengpässe bei Fahrzeugen reagiert?

Adamietzki: Die Lieferengpässe betrafen und betreffen leider die gesamte verarbeitende Industrie weltweit. Knaus Tabbert hat hier mit größtmöglicher Flexibilität in Logistik und Produktion auf die veränderten Bedingungen reagiert. Gleichzeitig haben wir Lagerbestände vergrößert und die Fertigung weiter flexibilisiert, sodass temporäre Schwankungen zunehmend nivelliert werden können. Dennoch kommt es immer wieder zu Lieferengpässen, die uns wohl auch dieses Jahr noch beschäftigen werden.

Wichtig in solchen Situationen ist für uns eine offene Kommunikation in Richtung aller Stakeholder. Wir informieren Händler, Kunden wie Investoren auf den relevanten Kanälen transparent über die aktuellen Entwicklungen. Insgesamt haben die Kunden geduldig und verständnisvoll agiert. Es gab kaum Abbestellungen, vielmehr ist unser Orderbuch im vergangenen Jahr weitergewachsen.

Und wann werden Sie wieder mit gewohnter Wartezeit liefern können?

Adamietzki: Insgesamt ist es für alle Beteiligten derzeit schwer abzuschätzen, wann wieder Normalität einkehrt. Mit unseren neuen Zulieferern im Chassis‐ Bereich werden wir aber zunehmend mehr Fahrt aufnehmen können und erwarten eine Verbesserung der Auslieferungssituation noch im ersten Halbjahr. Seit Jahresbeginn sehen wir bereits eine verhaltene Entspannung der Situation in bestimmten Bereichen.

Was die Kapazitäten betrifft, so sind wir bereits für weiteres Wachstum aufgestellt. Alleine im vergangenen Jahr haben wir rund 500 neue Mitarbeiter eingestellt. Wir haben Logistik und Einkauf angepasst und können mit unserer Produktion noch flexibler auf Störungen reagieren.

Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf das Geschäft?

Vaterl: Natürlich hat auch uns die Pandemie zeitweise stark getroffen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen sind hier die bereits angesprochenen Lieferschwierigkeiten zu nennen, zum anderen natürlich die laufende Anpassung der Maßnahmen zum Schutz unserer Mitarbeiter. Rückblickend erlaube ich mir zu sagen, dass wir das sehr gut im Griff hatten bzw. auch weiterhin haben und es bis heute keine Coronabedingten Unterbrechungen im gesamten Unternehmen gab.

Nicht zuletzt gelang das dank eines umfassenden und konsequent umgesetzten Pakets an Sicherheitsund Hygienemaßnahmen und regelmäßiger Mitarbeiterinformation zum Schutz der Belegschaft. Dabei hatten wir auch den Schutz der Familienangehörigen stets im Auge. Die Maßnahmen reichen von Abstandskonzepten über Ausgabe von Gratistests bis hin zu innerbetrieblichen Impfstraßen. Die größte Herausforderung bei all dem waren wohl die Vorgaben der Politik, die uns immer wieder vor große Herausforderungen gestellt haben – nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern vor allem auf Grund der sehr kurzfristigen Ankündigung und Umsetzungspflicht vielfältiger Maßnahmen.

Ganz wichtig ist es mir zu unterstreichen, welche großartige Leistung unsere Mitarbeiter in dieser Zeit erbracht haben. Und diese geht weit über die körperliche Mehrbelastung hinaus, etwa durch das Tragen einer Maske. Auch die psychische Komponente sollte hier nicht unerwähnt bleiben. Aus diesem Grund möchten wir uns als Vorstand an dieser Stelle herzlich bei allen Mitarbeitern für das gezeigte Engagement und die tolle Leistung in den letzten zwei Jahren bedanken.

Adamietzki: Auch auf den Vertrieb hat die Pandemie Einfluss genommen. Als B2B‐Hersteller sind für uns Messen nach wie vor eines der wichtigsten Instrumente zur Kundenbindung. Wir präsentieren dort nicht nur Marken und Produkte, sondern die Knaus Tabbert AG als innovatives und kraftvolles Unternehmen. Messen sind die ideale Plattform, unsere Kernbotschaften zielgerichtet zu kommunizieren.

In Zeiten, in denen nur eingeschränkt Messen stattfinden können, haben wir den Werbeetat massiv erhöht, um die Sichtbarkeit unserer Marken europaweit deutlich zu steigern und mit diesem medialen Schwung, möglichst viele Interessenten zu unseren Händlern zu leiten. Unsere Aktivitäten im Social‐Media‐Bereich haben wir richtig gepusht. Insgesamt haben wir in der Krise unser Tempo nochmals erhöht. Wir investieren mehr in Innovationen, in neue Produkte und Technologien und natürlich in unsere Mitarbeiter.

Der Markt für Freizeitmobile wächst seit der COVID-19-Pandemie überaus stark. Ist die Pandemie Ursache oder Verstärkung des Wachstums?

Speck: Ungeachtet der COVID‐Situation unterstützt eine Vielzahl von Megatrends das Wachstum unserer Branche. Die Baby‐Boomer der 60er‐Jahre, der demografische Wandel und die steigende Lebenserwartung sind maßgeblich für das Interesse in dieser traditionellen Zielgruppe der „Golden Ager‟. Und diese Zielgruppe wächst in den nächsten Jahren weiter. Gleichzeitig sehen wir die Zunahme der jüngeren Caravaning‐ Begeisterten, wozu auch Sharingund Mietangebote beitragen. Diese Zielgruppe sprechen wir über unsere „RENT AND TRAVEL“‐Aktivitäten an. Mehr als 40 % aller Buchungen verzeichnen wir bereits in der Altersgruppe zwischen 18 und 34 Jahren. Eine Rolle spielt auch der Trend hin zum regionalen Tourismus und zu Kurzurlauben.

Sie haben im Sommer angekündigt, dass Sie 220 Mio. Euro investieren wollen.

Hundsdorf: Als Knaus Tabbert verfolgen wir ehrgeizige Pläne und wollen unsere Absatzzahlen bis 2025 auf 50.000 Einheiten kontinuierlich steigern. Damit dies möglich ist, planen wir an den Standort in Jandelsbrunn, an unserem ungarischen Standort sowie in Schlüsselfeld in Franken umfangreiche Investitionen in Gebäude und Technologien.

In Jandelsbrunn hat der Bau einer ca. 20.000 m² großen Fertigungshalle bereits begonnen. Der ungarische Standort wird kontinuierlich zur Steigerung der Stückzahlen erweitert und unser Luxussegment in Schlüsselfeld wird eine zweite Fertigungslinie für eine neue Produktgeneration erhalten.

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit für Knaus Tabbert?

Speck: Die Anforderungen unserer Kunden bezüglich nachhaltiger Freizeit‐ und Urlaubsformen steigen. Der Gesetzgeber wird den Weg vorgeben. Wir wollen dem vorauseilen. Leichtbau und Elektromobilität müssen bei Knaus Tabbert in Serienreife verfügbar sein, bevor der Gesetzgeber uns hierzu auffordert.

Hundsdorf: Der Kapitalmarkt misst dem Thema Nachhaltigkeit zunehmend eine höhere Bedeutung zu. Für Investoren wird die nachhaltige Ausrichtung eines Unternehmens neben den klassischen finanziellen Indikatoren ein wesentliches Kriterium. Darauf wollen wir vorbereitet sein und befassen uns intensiv mit dem Thema ESG in den für uns und unsere Stakeholder wesentlichen Handlungsfeldern. Darüber werden wir auch in einem gesonderten Nachhaltigkeitsbericht ausführlich informieren.

Vaterl: Das Thema Elektromobilität gewinnt in der Campingbranche immer mehr an Bedeutung. Wir wollen hier eine Vorreiterrolle einnehmen. So haben wir auf dem Caravan Salon 2021 mit der Studie KNAUS E.POWER DRIVE einen Ausblick auf das erste vollelektrische Reisemobil gegeben. Auch arbeiten wir mit Hochdruck an Projekten, die E‐Mobilität auch im Freizeitfahrzeugsegment etablieren können.

Adamietzki: Nachhaltigkeit beinhaltet immer auch kleine und nach außen hin unsichtbare Schritte. So versuchen wir, unsere Materialien möglichst verpackungsarm oder mit ressourcenschonenden Verpackungen zu beziehen und achten in allen Unternehmensbereichen auf Mülltrennung und das Recycling oder die Wiederverwendung von Stoffen. Zum Beispiel wandeln wir die ohnehin anfallenden Holzabfälle in unserer Schreinerei durch ein modernes Heizhaus in Wärme um, mit der wir im Winter unsere Hallen und Büros heizen. Dadurch müssen wir nicht oder kaum auf fossile Brennstoffe zurückgreifen.

Und wo geht die Reise in Zukunft hin?

Speck: Für das Jahr 2022 sind wir überaus optimistisch. Der hohe Auftragsbestand bietet dafür eine starke Ausgangsposition. Die Pandemie ist zwar noch nicht ausgestanden, doch wir arbeiten weiter mit Nachdruck an der Widerstandsfähigkeit unserer Lieferketten. Im Bereich der Fahrzeugchassis haben wir uns mit zusätzlichen Partnern breiter aufgestellt. Unsere Produktion ist modern und wir haben unser Personal aufgestockt. Natürlich können der Ukraine‐Krieg und die Sanktionen zu weiteren wirtschaftlichen Verwerfungen führen. Derzeit sind wir aber zuversichtlich, uns im zweiten Halbjahr 2022 wieder schrittweise in Richtung optimaler Taktung und Auslastung unserer Fabriken zu bewegen und dabei ein deutliches Umsatz‐ und Ergebnsiwachstum zu generieren. Der europäische Markt bietet großes Potenzial für Knaus Tabbert, um die Wachstumsstory der letzten Jahre fortzuschreiben. Wir haben den Umsatz seit 2013 mehr als verdreifacht. Eine Verdoppelung bis 2025 scheint im Bereich des Möglichen.